Journalisten als Klassenkämpfer

Der Irak-Kriegsbefürworter David Brooks hat in der New York Times einen Artikel mit dem Titel «Was, wenn wir hier die Bösen sind?» veröffentlicht – wieder einmal einer dieser faden, abgedroschenen Kommentare, die wir seit acht Jahren immer wieder lesen, in denen er fragt: «Könnte es sein, dass wir, die Elite der US-Küste, nicht ganz unbeteiligt am Aufstieg des Trumpismus waren?» – als ob es völlig unerhört wäre, diesen offensichtlichen Zusammenhang in Betracht zu ziehen. Die Antwort lautet: Natürlich, du auf Rosen gebetteter Junge aus der Elfenbeinturm-Blase.
Aber ein Absatz über die Medien sticht in Brooks Text heraus:
«In den letzten Jahrzehnten haben wir ganze Berufe übernommen und alle anderen ausgeschlossen. Als ich meine journalistische Karriere im Chicago der 1980er Jahre begann, sassen in den Nachrichtenredaktionen noch ein paar mürrische alte Männer aus der Arbeiterklasse. Heute sind wir nicht nur ein Beruf, der von College-Absolventen dominiert wird, wir sind ein Beruf, der von Elite-College-Absolventen dominiert wird. Nur 0,8 Prozent aller Studierenden machen ihren Abschluss an einer der Super-Elite-Universitäten – den renommiertesten alten Universitäten plus Stanford, M.I.T. und der University of Chicago. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass mehr als die Hälfte der Redakteure unserer geliebten New York Times und des Wall Street Journals eine der 29 renommiertesten Elite-Universitäten des Landes besucht haben.»
Brooks ist nicht der erste, der diese drastische Verschiebung des sozioökonomischen Hintergrunds von Journalisten beobachtet, die sich innerhalb weniger Generationen bis heute vollzogen hat.
«Der Klassenfaktor im Journalismus wird übersehen», sagte der Journalist Glenn Greenwald 2021 in der Jimmy Dore Show. «Vor 30, 40, 50 Jahren waren Journalisten echte Aussenseiter. Deshalb waren sie gewerkschaftlich organisiert, sie verdienten sehr wenig, sie kamen aus Arbeiterfamilien. Sie hassten die Elite. Sie hassten Bankiers und Politiker. Es war wie eine Chef-Angestellten-Beziehung – sie hassten die Chefs und wollten sie am liebsten mit Steinen bewerfen, um ihnen eins auszuwischen.»
Der Journalist Matt Taibbi, dessen Vater für NBC arbeitete, machte 2020 im Podcast Dark Horse eine ähnliche Beobachtung. «Als ich aufwuchs, kamen Reporter aus einer anderen sozialen Schicht als heute», sagte Taibbi, «viele von ihnen kamen eher aus der Arbeiterklasse – ihre Eltern waren eher Klempner oder Elektriker als Ärzte oder Anwälte. Dass Journalisten Absolventen von Eliteuniversitäten sind, ist eine relativ neue Entwicklung, die wahrscheinlich mit meiner Generation in den 70er und 80er Jahren begann. Aber Journalisten hassten einfach instinktiv die Reichen, sie hassten die Mächtigen. Wenn man ein Foto eines Politikers in der Redaktion aufhängte, wurde es sofort verunstaltet, mit Dartpfeilen versehen. Die Journalisten sahen es als ihre Aufgabe an, diese Leute zu verunglimpfen».
«Heute sieht die Arbeit meist anders aus», sagt Taibbi, «in den 1990er Jahren entwickelten Reporter die Vorstellung, nach einer Rede mit einem politischen Kandidaten abzuhängen, mit ihm ein Bier zu trinken und die Nähe zur Macht zu suchen. Diese Vorstellung prägt unsere Gegenwart, da sind wir jetzt gelandet. Ich glaube, das ist das Problem, dass Journalisten gerne mit einflussreichen Leuten zusammen sind. Und es wird schwierig, die kritische Distanz zurückzugewinnen, die wir früher hatten.
Das ist der Hauptgrund für die absurde Unterwürfigkeit und Loyalität gegenüber dem Imperium, die wir in der Mainstream-Presse sehen. Es sind nicht nur die obszön reichen Eigentümer der Massenmedien, die ihre Klasseninteressen verteidigen, sondern auch die Reporter, Redakteure und Mediengurus.
Das sind in der Regel ziemlich wohlhabende Leute aus ziemlich wohlhabenden Familien, die immer wohlhabender werden, je höher sie auf der Karriereleiter steigen. Wie Insider der Mainstream-Presse bezeugen, gibt es unter den Mitarbeitern der Mainstream-Presse einen Konsens darüber, dass man sich dem Establishment unterordnen muss, wenn man Karriere machen will, und dass man besser keine Themen aufgreift, die den Mächtigen nicht in den Kram passen.
Diese Identifikation mit der herrschenden Klasse passt zu der von Taibbi beschriebenen Dynamik, nach der die heutigen Journalisten gelernt haben, die Nähe zu den Mächtigen zu schätzen. Die «Wir gegen die»-Dynamik, die früher zwischen der Presse und den Politikern herrschte, hat sich umgekehrt – jetzt sieht die Presse sich selbst und die Politiker, mit denen sie sich verbrüdert, als «wir» und die Öffentlichkeit als «die».
Und es gibt noch andere Faktoren, die mit der Ausbildung der Elite zu tun haben. Der Anteil der Journalisten mit Hochschulabschluss ist von 58 Prozent im Jahr 1971 auf 92 Prozent im Jahr 2013 in die Höhe geschnellt; wenn man keine reichen Eltern hat, die einem das abnehmen, bedeutet das für die Absolventen eine erdrückende Schuldenlast, die sie selbst abtragen müssen – und das können sie in dem Berufsfeld, dem sie ihr Studium gewidmet haben, nur, wenn sie genug Geld verdienen. Das wiederum setzt voraus, dass sie sich als zuverlässige Propagandisten des imperialen Establishments betätigen.
Universitäten, die Journalisten am Fliessband produzieren, tendieren dazu, den Status quo zu stützen und Konformität zu erzeugen, denn Geld fliesst nicht in ein akademisches Umfeld, das den Reichen ein Dorn im Auge ist. Es ist unwahrscheinlich, dass Kapitalisten grosse Summen an Universitäten spenden, die ihren Studenten beibringen, dass Kapitalisten eine Geissel der Nation sind, und schon gar nicht werden sie ihre Kinder dorthin zum Studium schicken.
«Die gesamte intellektuelle Kultur hat ein Filtersystem, das mit dem Kind in der Schule beginnt», erklärte Noam Chomsky einmal in einem Interview (hier und hier). «Es wird erwartet, dass man bestimmte Überzeugungen, Ausdrucksweisen, Verhaltensmuster und so weiter akzeptiert. Wenn man sie nicht akzeptiert, wird man vielleicht als verhaltensgestört bezeichnet und aussortiert. Und so geht es den ganzen Weg bis zur Universität. Es gibt ein verstecktes Filtersystem …, das eine starke Tendenz zur Konformität erzeugt».
Diejenigen, die es durch dieses Filtersystem schaffen, besetzen die einflussreichsten Positionen in unserer Zivilisation. All die Stimmen, die in unserer Gesellschaft am meisten Gehör finden, gehören den Prominenten, Experten und Politikern, die sich als verlässliche Interessensvertreter in der Matrix der narrativen Kontrolle erwiesen haben, die die Öffentlichkeit an das Mainstream-Weltbild bindet.
Ist es da verwunderlich, dass all die Informationsquellen über die Welt, die wir zu konsultieren gelernt haben, uns ständig mit Geschichten füttern, die den Eindruck erwecken, dass der Status quo wunderbar funktioniert und dass es gar nicht anders geht? Ist es da verwunderlich, dass die Massenmedien alle US-Kriege unterstützen und alle imperialen Ziele bejubeln?
Genau zu diesem Zweck ist alles so eingerichtet. Unsere Medien agieren als Propagandisten eines tyrannischen Regimes, weil sie genau das sind.