Links, gebildet – und intolerant

Für die Studie des Mercator Forums Migration und Demokratie am Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung der TU Dresden wurden 20.000 Menschen in zehn europäischen Ländern zu kontroversen Themen wie Zuwanderung, Gleichberechtigung und Klimapolitik befragt. Dabei ging es nicht nur um die eigene Meinung, sondern auch darum, wie die Befragten Personen einschätzen, die genau gegenteiliger Meinung sind.
Das Ergebnis ist eindeutig: Je gebildeter, wohlhabender, urbaner und linker eine Person ist, desto weniger Toleranz bringt sie Andersdenkenden entgegen. Im Umkehrschluss heisst das: Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht die ländlichen “Wutbürger”, die am intolerantesten sind. Im Gegenteil: Gerade konservativ eingestellte, bildungsferne und ländlich geprägte Menschen sind offen für andere Meinungen.
Laut Studienleiter Hans Vorländer, Politikwissenschaftler an der TU Dresden, kann damit die Existenz des intoleranten Provinzlers zumindest in Frage gestellt werden. Vielmehr neigten gerade die vermeintlich Toleranten und Fortschrittlichen dazu, Andersdenkende auszugrenzen und zu entmenschlichen.
Auch in der Schweiz dürfte eine vergleichbare Studie zu ähnlichen Ergebnissen kommen, sagt der Zürcher Politologe Michael Hermann. Linke würden für sich eine absolute moralische Überlegenheit beanspruchen und fühlten sich deshalb berechtigt, Andersdenkende hart zu attackieren – manchmal bis zur Entmenschlichung.
Problematisch sei, dass diese linke Intoleranz wesentlich zu der vielerorts beklagten Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft beitrage. Denn eine funktionierende Demokratie beruht auf gegenseitiger Toleranz unterschiedlicher Standpunkte, so die Studie. Fehlt diese, verhärten sich die Fronten – Kompromisse werden immer schwieriger.
Um die Polarisierung zu überwinden, ist es daher unabdingbar, dass gerade die vermeintlich Toleranten ihre Intoleranz gegenüber Andersdenkenden ablegen. Nur wenn die Akzeptanz anderer Meinungen wieder wächst, kann der demokratische Diskurs neu belebt werden. Paradoxerweise sind es also die selbsternannten Progressiven und Weltoffenen, die wieder die Basis für einen konstruktiven demokratischen Austausch schaffen müssen.