Verfassung ohne Gott

«Die Luzernerinnen und Luzerner, in Verantwortung vor Gott, gegenüber den Mitmenschen und der Natur und im Bestreben, Luzern als starken Kanton weiterzuentwickeln, geben sich folgende Verfassung.» So steht es in der Präambel zur Verfassung des Kantons Luzern. Für den Grünen Kantonsrat Samuel Zbinden gehört dieser Satz gestrichen: «Unsere Verfassung soll auf demokratischen Werten beruhen und nicht auf dem Glauben eines Teils der Bevölkerung. Darum habe ich eine Motion eingereicht.» Zbindens Vorstoss fordert, dass die Verfassung gegenüber allen Glaubensrichtungen und Religionsgemeinschaften neutral formuliert wird.
Glaube an Gott nimmt ab
Dabei ist ihm bewusst, dass die Mehrheit der Luzerner Bevölkerung des Kantons Luzern katholisch ist – gemäss Bundesamt für Statistik sind es 57 Prozent und etwa 9 Prozent sind reformiert. Doch er sagt: «Der Anteil der Menschen, die an Gott glauben und in einer Kirche sind, nimmt auch in Luzern immer mehr ab. Die Verfassung muss aber für alle gelten, darum ist der Vorstoss wichtig.»
Auftrieb hat dem Anliegen des Grünen Kantonsrats Samuel Zbinden die Abstimmung vom 25. September gegeben, als eine deutliche Mehrheit der Luzerner Stimmberechtigten eine finanzielle Beteiligung am Neubau der Kaserne der Päpstlichen Schweizergarde ablehnte. In keiner einzigen der 80 Gemeinden reichte es für ein Ja zum Beitrag über 400 000 Franken an den Vatikan (siehe auch Seiten 22/23): «Das ist für mich doch ein Zeichen, dass auch Luzern langsam säkularer wird.»
Gottesbezug ist erst 15 Jahre alt
Ob Gott tatsächlich aus der Verfassung des Kantons Luzern gestrichen wird, muss das Parlament entscheiden. Dabei ist der Gottesbezug in der Luzerner Verfassung gar nicht so alt, wie man meinen könnte. Er wurde erst bei der Totalrevision von 2007 hinzugefügt. Vorher hatte die Verfassung keine Präambel und damit auch keinen expliziten Bezug auf Gott. Damals gab es sogar einen weltlichen Vorschlag der zuständigen Kommission: «Im Wissen, dass Macht ohne Recht nicht sein darf und Recht ohne Macht nicht sein kann, gibt sich der Kanton Luzern folgende Verfassung», lautete dieser, wie einem rund 750-seitigen Kommentar zur neuen Luzerner Verfassung zu entnehmen ist. Dort wird die Entstehungsgeschichte des Gottesbezugs beschrieben.
Ein zu «akademischer» Vorschlag
In der anschliessenden breit angelegten Vernehmlassung, bei der die Unterlagen auch an sämtliche Luzerner Haushalte verteilt wurden, stiess dieser Vorschlag aber auf Widerstand, wie der Regierungsrat in seiner Botschaft ans Parlament im Jahr 2005 festhielt: «Aus den zahlreichen Eingaben ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass eine Präambel gewünscht wird, welche einen Bezug auf Gott und auf die Verantwortung des Menschen herstellt.» Unter anderem wurde der Vorschlag der Kommission als «zu akademisch» beurteilt – ungeachtet dessen, dass in den vorhergehenden Verfassungen des Kantons Luzern von 1814, 1831, 1841, 1863 und 1875 nie von Gott die Rede war.
Allerdings wird in den ersten vier Verfassungen klargestellt, dass der Katholizismus die Religion des Kantons und des «luzernischen Volkes» sei. Der heutige explizite Gottesbezug in der Einleitung ist jedoch erst 15 Jahre alt.
Einige Kantone ohne Gottesbezug
Die meisten Verfassungen der anderen Kantone, wie auch die Bundesverfassung, nehmen in der Präambel oder Einleitung Bezug auf Gott oder zumindest auf die Schöpfung, mit Ausnahme der Kantone Basel-Stadt, Thurgau oder Genf. Der Kanton Genf nimmt gemäss seiner laizistischen Tradition Bezug auf den Humanismus. Und im Kanton Appenzell Ausserrhoden einigte sich die Verfassungskommission im letzten Jahr darauf, den Gottesbezug und den Begriff der Schöpfung zu streichen. Letztlich entscheiden wird auch hier das Stimmvolk.
Der Kanton Freiburg als Vorbild?
Interessant ist die Einleitung zur Verfassung des Kantons Freiburg: «Wir, das Volk des Kantons Freiburg, die wir an Gott glauben oder unsere Werte aus anderen Quellen schöpfen (…)» Diese Formulierung schliesst alle mit ein, sowohl Christen und Christinnen, Muslime oder andere Religionsangehörige, aber auch Atheisten.